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Reichsverfassungsurkunde

vom 16. April 1871 und die wichtigsten Administrativgesetze des deutschen Reichs mit einer systematischen Darstellung der Grundzüge des deutschen Verfassungsrechts.
Herausgegeben und erläutert von Emil Riedel im Verlag C.H. Beck, Nördlingen 1871.

Zweite Abtheilung. Verfassung des deutschen Reiches. IV. Präsidium.
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Artikel 17.

Dem Kaiser steht die Ausfertigung1) und Verkündigung der Reichsgesetze und die Überwachung2) der Ausführung derselben zu. Die Anordnungen3) und Verfügungen des Kaisers werden im Namen des Reichs erlassen und bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des Reichskanzlers, welcher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt.4)

1) Die Ausfertigung und Verkündigung der Reichsgesetze steht nach der Natur der Sache und im Hinblick auf die Bestimmung in Art. 5 Abs. II der Verf. nicht im Belieben des Bundespräsidiums.

2) Vergleiche hiezu oben Art. 4 Note 2.

3) Über das Anordnungsrecht des Kaisers siehe erste Abtheilung § 5 Ziff. II Nr. 12.

4) Bezüglich der Verantwortlichkeit des Reichskanzlers siehe erste Abtheilung § 6 Ziff. V Nr. 6, dann § 9 Ziff. I. Ueber die Verantwortlichkeit des Reichskanzlers, welche auf Antrag des konstituirenden Reichstags von 1867 in die norddeutsche Bundesverfassung eingeschaltet wurde, fanden in jenem Reichstage ausführliche Erörterungen statt, aus welchen namentlich die Reden des Fürsten von Bismarck in den Sitzungen vom 26. und 27. März 1867 (Stenogr. Ber. S. 376 u. 377, 388 u. 393) hervorzuheben sind. Derselbe verbreitete sich hiebei insbesondere über das Verhältniß des Bundeskanzlers zu dem preußischen Ministerium und führte aus, daß der erstere naturgemäß in beständiger Fühlung mit dem letzteren bleiben müsse und daß eine dauernde Disharmonie zwischen beiden in Bezug auf wichtige Fragen nicht wohl denkbar sei. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet seien die preußischen Minister immerhin dem preußischen Landtage für gewisse mit Zustimmung Preußens zu Stande gekommene Bundesbesschlüsse verantwortlich ; würde dagegen Preußen nicht bloß im Bundesrathe sondern auch im Reichstage majorisirt, so würde das preußische Ministerium ,von dieser Verantwortung gewissermaßen losgesprochen sein durch die preußischen Reichstagsabgeordneten, die ihrerseits die Majorität für das betreffende Gesetz hergestellt hatten;" ähnlich verhalte es sich auch mit der Verantwortlichkeit der anderen Landesministerien (Stenog. Ber. 1867 S. 393).

Ferner wurde, nachdem bereits von einer Seite im constituirenden Reichstage von 1867 die Schaffung eines „Bundesministeriums “ ohne Erfolg beantragt war (Sten. Ber. 1867 S. 404, 405 u. 704 und Anlage hiezu Nr. 15 S. 38 u. 39 und Nr. 23 Ziff. II S. 47), in der 20. Sitzung des norddeutschen Reichstags von 1869 der Antrag: „den Bundeskanzler aufzufordern, für die zur Kompetenz des Bundes gehörigen Angelegenheiten eine geordnete Aufsicht und Verwaltung durch verantwortliche Bundesministerien, namentlich für auswärtige Angelegenheiten,Finanzen, Krieg, Marine, Handel und Verkehrswesen, im Wege der Gesetz gebung herbeizuführen“ — durchberathen und angenommen (stenogr. Ber. S. 389 bis 413); ein deßfallsiger Gesetzesvorschlag erfolgte jedoch aus den vom Bundeskanzler damals in ausführlicher Rede (stenogr. Ber. S. 401-405) entwickelten Gründen nicht.

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