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Reichsverfassungsurkunde

vom 16. April 1871 und die wichtigsten Administrativgesetze des deutschen Reichs mit einer systematischen Darstellung der Grundzüge des deutschen Verfassungsrechts.
Herausgegeben und erläutert von Emil Riedel im Verlag C.H. Beck, Nördlingen 1871.

Zweite Abtheilung. Verfassung des deutschen Reiches. III. Bundesrath.
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Artikel 6.1)

Der Bundesrath2) besteht aus den Vertretern der Mitglieder des Bundes, unter welchen die Stimmführung3) sich in der Weise vertheilt, daß Preußen mit den ehemaligen Stimmen von Hannover, Kurhessen, Holstein, Nassau und Frankfurt 17 Stimmen
führt, Bayern 6 Stimmen
Sachsen 4 Stimmen
Württemberg 4 Stimmen
Baden 3 Stimmen
Hessen 3 Stimmen
Mecklenburg-Schwerin 2 Stimmen
Sachsen-Weimar 1 Stimme 
Mecklenburg-Streliz 1 Stimme 
Oldenburg 1 Stimme 
Braunschweig 2 Stimmen 
Sachsen-Meiningen 1 Stimme 
Sachsen-Altenburg 1 Stimme 
Sachsen-Koburg-Gotha 1 Stimme 
Anhalt 1 Stimme 
Schwarzburg-Rudolstadt 1 Stimme 
Schwarzburg-Sondershausen 1 Stimme 
Waldeck 1 Stimme 
Reuß älterer Linie 1 Stimme 
Reuß jüngerer Linie 1 Stimme 
Schaumburg-Lippe 1 Stimme 
Lippe 1 Stimme 
Lübeck 1 Stimme 
Bremen 1 Stimme 
Hamburg 1 Stimme 
zusammen 58 Stimmen


Jedes Mitglied des Bundes kann so viel Bevollmächtigte 4) zum Bundesrathe ernennen, wie es Stimmen hat, doch kann die Gesammtheit der zuständigen Stimmen nur einheitlich abgegeben werden.

1) Die Zahl der im Bundesrathe vertretenen Stimmen, welche früher 43 betrug, wurde in Folge des Eintritts der süddeutschen Staaten auf 58 erhöht. Der Schlußsatz des Art. 6 befand sich in Art. 7 der nordd. Bundesverf.

2) Über die Natur des Bundesraths, dessen Wirkungskreis und Geschäftsgang siehe oben die erste Abtheilung § 4.

Fürst von Bismarck äußerte in der 9. Sitzung des Reichstags 1871 (Stenogr. Ber. S. 95): „Der Bundesrath ist nicht eigentlich eine Reichsbehörde, er vertritt das Reich als solches nicht; das Reich wird nach Außen durch Seine Majestät den Kaiser vertreten, das gesammte Volk wird durch den Reichstag vertreten, der Bundesrath ist nach unserer Auffassung recht eigentlich eine Körperschaft, in welcher die einzelnen Staaten zur Vertretung gelangen, die ich nicht als centrifugales Element, aber als die Vertretung berechtigten Sonderinteressen bezeichnen möchte."

Ferner bemerkte Fürst von Bismarck in der 18. Sitzung des Reichstags von 1871 (Stenogr. Ber. S. 298) gegenüber den Bestrebungen auf Einführung des Zweikammersystems : „Jch weiß nicht, was die Herren bewegt, den Bundesrath in den gesetzgebenden Faktoren nicht mitzuzählen; die Verfassung weist ihm die volle Gleichberechtigung an und wenn ich sage, er wiegt schwerer als ein gewöhnliches erstes Haus, so ist das, weil er zugleich ein Staatenhaus im vollsten Sinne des Wortes ist in viel berechtigterem Sinne, als das was man gewöhnlich Staatenhaus nennt, was z. B. in der Erfurter Verfassung Staatenhaus genannt wurde. Dorte stimmte im Staatenhause nicht der Staat, sondern das Individuum ab, und zwar nicht nach Instruktionen, sondern nach seiner Ueberzeugung. So leicht wiegen die Stimmen im Bundesrathe nicht; da stimmt nicht der Freiherr von Friesen, sondern das Königreich Sachsen stimmt durch ihn; nach seiner Instruktion giebt er ein Votum ab, welches sorgfältig destillirt ist aus all den Kräften, die zum öffentlichen Leben in Sachsen mitwirken; in dem Votum ist die Diagonale aller der Kräfte enthalten, die in Sachsen thätig sind, um das Staatswesen zu bilden; es ist das Votum der sächsischen Krone, modificirt durch die Einflüsse der sächsischen Landesvertretung, vor welcher das sächsische Ministerium für die Vota, welche es im Bundesrath abgeben läßt, verantwortlich ist.“

„Die Vota im Bundesrath nehmen für sich die Achtung in Anspruch, die man dem gesammten Staatswesen eines der Bundesglieder schuldig ist."
Vergleiche hierzu oben die erste Abtheilung § 4 Ziff. III am Schlusse.

3) Vergleiche hierzu oben die erste Abtheilung § 3 Ziff. II. Für Lauenburg wird keine besondere Stimme geführt.

4) Die einzelnen Bevollmächtigten haben Substitutionsbefugniß; über die Verantwortlichkeit der Bevollmächtigten siehe § 4 Ziff. III.

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