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Reichsverfassungsurkunde

vom 16. April 1871 und die wichtigsten Administrativgesetze des deutschen Reichs mit einer systematischen Darstellung der Grundzüge des deutschen Verfassungsrechts.
Herausgegeben und erläutert von Emil Riedel im Verlag C.H. Beck, Nördlingen 1871.

Zweite Abtheilung. Verfassung des deutschen Reiches. X. Konsulatwesen.
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Artikel 56.1)

Das gesammte Konsulatwesen2) des deutschen Reichs steht unter der Aufsicht des Kaisers, welcher die Konsuln, nach Vernehmung des Ausschusses des Bundesrathes für Handel und Verkehr, anstellt.

In dem Amtsbezirk der deutschen Konsuln dürfen neue Landeskonsulate3) nicht errichtet werden. Die deutschen Konsuln üben für die in ihrem Bezirk nicht vertretenen Bundesstaaten die Funktionen eines Landeskonsuls aus. Die sämmtlichen bestehenden Landeskonsulate werden aufgehoben, sobald die Organisation der deutschen Konsulate dergestalt vollendet ist, daß die Vertretung der Einzelinteressen aller Bundesstaaten als durch die deutschen Konsulate gesichert von dem Bundesrathe anerkannt wird.

1) Zu Art. 56 wurde nach Nr. XII das bayr. Schlußprotoll „allseitig anerkannt, daß den einzelnen Bundesstaaten das Recht zustehe, auswärtige Konsuln bei sich zu empfangen und für ihr Gebiet mit dem Exequatur zu versehen. Ferner wurde die Zusicherung gegeben, daß Bundeskonsuln an auswärtigen Orten auch dann angestellt werden sollen, wenn es nur das Interesse des einzelnen Bundesstaates als wünschenswerth erscheinen läßt, daß dieß geschehe.“

2) Das Konsulatwesen ist geregelt,

a. durch das Gesetz, betreffend die Organisation der Bundeskonsulate, sowie die Amtsrechte und Pflichten der Bundeskonsuln vom 8. Nov. 1867, und das in § 24 dieses Gesetzes allegirte preuß. Gesetz vom 29. Juni 1865, welches im Bundesgesetzbl. v. 1867 S. 144 ff. abgedruckt ist;

b). durch das Gesetz, betreffend die Eheschließung und die Beurkundung des Personenstandes von Bundesangehörigen im Auslande vom 4. Mai 1870. Die Bundeskonsuln sind entweder Berufskonsuln (consules missi) oder Wahlkonsuln (consules electi); die ersteren müssen einen besonderen Befähigungsnachweis liefern und Bundesangehörige sein; zu Wahlkonsuln sollen vorzugsweise Kaufleute ernannt werden, welchen das Bundesindigenat zusteht (§ 9 d. Ges.). Die Konsuln sind nach § 1 des Gesetzes berufen, das Interesse des Bundes namentlich in Bezug auf Handel, Verkehr und Schiffahrt thunlichst zu schützen und zu fördern, die Beobachtung der Staatsverträge zu überwachen und den Angehörigen der Bundesstaaten, sowie anderer befreundeter Staaten in ihren Angelegenheiten Rath und Beistand zu gewähren. Sie führen die Matrikel über die in ihrem Amtsbezirke wohnenden Bundesangehörigen, haben nach Maaßgabe des oben ad b erwähnten besonderen Gesetzes die Befugniß zu Eheschließungen und zur Beurkundung des Personenstandes, können Urkunden legalisiren und Zeugnisse mit öffentlichem Glauben ausstellen und verrichten die Geschäfte eines Notars in ihrem Amtsbezirke. Sie sind zur Behandlung des Nachlasses der in ihrem Amtsbezirke verstorbenen Bundesangehörigen berufen; sie können gerichtlichen Requisitionen in Bezug auf Zustellungen entsprechen und auf Grund besonderer Ermächtigung des Reichskanzlers, Zeugen abhören und Eide abnehmen. Sie haben das Vermittlungs- und Schiedsrichteramt, und üben die volle Gerichtsbarkeit in denjenigen Ländern, in welchen ihnen dieß durch Herkommen oder Staatsverträge gestattet ist. Die Bundeskonsuln sind ferner befugt, Pässe auszustellen und zu visiren und hilfsbedürftigen Bundesangehörigen Unterstützungen zu gewähren; sie haben endlich ausgedehnte Rechte und Pflichten in Bezug auf den Schutz der Interessen der Kriegs- und Handelsmarine.

3) Da das Reich innerhalb des Bundesgebietes keine Konsulate errichten kann, so ist klar, daß die Befugniß der Einzelstaaten bei anderen Bundesstaaten Konsulate zu haben und zu errichten durch die Verfassung nicht aufgehoben wurde; die Wirksamkeit solcher Landeskonsulate ist jedoch naturgemäß eine beschränkte.

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