Bismarcks Erben Logo

Reichsverfassungsurkunde

vom 16. April 1871 und die wichtigsten Administrativgesetze des deutschen Reichs mit einer systematischen Darstellung der Grundzüge des deutschen Verfassungsrechts.
Herausgegeben und erläutert von Emil Riedel im Verlag C.H. Beck, Nördlingen 1871.

Zweite Abtheilung. Verfassung des deutschen Reiches. XI. Reichs-Kriegswesen.
← Artikel 60 | Seite 142-144 | Artikel 62 →

Artikel 61.1)

Nach Publikation dieser Verfassung ist in dem ganzen Reiche die gesammte preußische Militärgesetzgebung ungesäumt einzuführen, sowohl die Gesetze selbst, als die zu ihrer Ausführung, Erläuterung oder Ergänzung erlassenen Reglements, Instruktionen2) und Reskripte, namentlich also das Militär-Strafgesetzbuch vom 3. April 18453), die Militär-Strafgerichtsordnung vom 3. April 1845, die Verordnung über die Ehrengerichte vom 20. Juli 1843, die Bestimmungen über Aushebung, Dienstzeit, Servis- und Verpflegungswesen4), Einquartierung5), Ersatz von Flurbeschädigungen, Mobilmachung u.s.w. für Krieg und Frieden. Die Militär-Kirchenordnung ist jedoch ausgeschlossen.

Nach gleichmäßiger Durchführung der Kriegsorganisation des deutschen Heeres wird ein umfassendes Reichs-Militärgesetz6) dem Reichstage und dem Bundesrathe zur verfassungsmäßigen Beschlußfassung vorgelegt werden.

1) a. Der Art. 61 findet auf Bayern keine Anwendung; statt dessen ist in Ziff. III § 5 Nr. I des bayr. Vertrags bestimmt:

„Bayern behält zunächst seine Militärgesetzgebung nebst den dazu gehörigen Vollzugsinstruktionen, Verordnungen, Erläuterungen etc. bis zur verfassungsmäßigen Beschlußfassung über die der Bundesgesetzgebung anheimfallenden Materien, resp. bis zur freien Verständigung bezüglich der Einführung der bereits vor dem Eintritte Bayerns in den Bund in dieser Hinsicht erlassenen Gesetze und sonstigen Bestimmungen.“

Diese Bestimmung wurde von dem Präsidenten des Bundeskanzleramts in der Sitzung des norddeutschen Reichstags vom 8. Dez. 1870 (Sten. Ber. S. 146) dahin erläutert, daß man unterscheiden müsse zwischen den der Gesetzgebung anheimfallenden Materien und zwischen Vollzugsinstruktionen und dergl. Bezüglich der letzteren sei der Weg der Verständigung vorbehalten, die Gesetze dagegen könnten vom Reiche in Bayern, selbst gegen dessen Widerspruch eingeführt werden, jedoch sei es selbstverständlich, daß der Einführung die entsprechenden Ermittlungen vorausgiengen.

Zur Erläuterung des Bayern verbliebenen Anordnungsrechtes dienen übrigens auch die weiter unter zu Art. 63 der Verf. angeführten Bestimmungen des bayerischen Vertrags Ziff. III § 5 Nr. Nr. III. b. Auf Württemberg findet der Art. 61 der Reichsverfassung gemäß Art. 10 der Militärconvention Anwendung; ausgenommen von der Gemeinsamkeit sind dortselbst nur bis auf weitere reichsgesetzliche Regelung: die Militär-Kirchenordnung, das Militärstrafgesetzbuch und die Militärgerichtsordnung, sowie die Bestimmungen über Einquartierung und Ersatz von Flurbesschädigungen.

2) Vergleiche hierzu namentlich die Verordnung, betreffend die Organisation der Landwehr-Behörden und die Dienstverhältnisse der Mannschaften des Beurlaubtenstandes vom 5. Sept. 1867, Berlin bei Decker; dann die Militär-Ersatzinstruktion für den norddeutschen Bund vom 26. März 1868 und das zu letzterer besonders erschienene Register, Berlin 1868 Verlag bei Decker; ferner die Bekanntmachung des Reichskanzleramts vom 2. Septbr. 1868 über diejenigen höheren Lehranstalten, welche zur Ausstellung giltiger Zeugnisse über die wissenschaftliche Qualifikation zum einjährig freiwilligen Dienst berechtigt sind (Bundesgesetzbl. 1868 S. 467 ff.); dann die weiteren Bekanntmachungen gleichen Betreffs vom 10. März 1869, 14. April und 24. Sept. 1870 und 28. März 1871.

3) Abgedruckt im Bundesgesetzbl. v. 1867 S. 187 ff. In diesem Bundesgesetzblatt S. 300 bis 316 sind ferner abgedruckt: der allerhöchste Erlaß, betreffend die Abschaffung der körperlichen Züchtigung vom 6. Mai 1848, dann das Gesetz vom 11. März 1850, betreffend die an Stelle der Vermögenskonfiscation gegen Deserteure etc. zu verhängende Geldbuße, ferner das Gesetz vom 15. April 1852, die Abänderung mehrerer Bestimmungen in den Militärstrafgesetzen und die Kriegsartikel vom 9. Dezember 1852.

4) Vergleiche hierzu die im Bundesgesetzbl. von 1867 S. 125 ff. abgedrückte Verordnung vom 7. Nov. 1867, betreffend die Einführung preußischer Militärgesetze im ganzen Bundesgebiete und den dieser Verordnung beigefügten Auszug aus dem Reglement über die Naturalverpflegung der Truppen im Frieden vom 13. Mai 1858.

5) Vergleiche hierzu das Bundesgesezt, betreffend die Quartierleistung für bewaffnete Macht während des Friedenszustandes vom 25. Juni 1868 (Bundesgesetzblatt S. 523 ff.) und das demselben beigefügte Regulativ.

6) Außer dem in vorstehender Note erwähnten Gesetze ist von Seite des norddeutschen Bundes lediglich das bereits oben bei Art. 57 angeführte Gesetz, die Verpflichtung zum Kriegsdienste betr. vom 9. Novbr. 1867 erlassen worden. Vom ersten deutschen Reichstage wurde ein Gesetz, betreffend die Pensionirung und Versorgung der Militärpersonen des Reichsheeres und der kaiserl. Marine, sowie die Unterstützung der Hinterbliebenen solcher Personen angenommen (Anlagen zu den stenogr. Ber. Nr. 96.).

zum Seitenanfang

← Artikel 60 | Seite 142-144 | Artikel 62 →


zur Inhaltsübersicht | zur Startseite | zu Bismarcks Erben