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Reichsverfassungsurkunde

vom 16. April 1871 und die wichtigsten Administrativgesetze des deutschen Reichs mit einer systematischen Darstellung der Grundzüge des deutschen Verfassungsrechts.
Herausgegeben und erläutert von Emil Riedel im Verlag C.H. Beck, Nördlingen 1871.

Zweite Abtheilung. Verfassung des deutschen Reiches. V. Reichstag.
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Artikel 27.

Der Reichstag prüft die Legitimation1) seiner Mitglieder und entscheidet darüber. Er regelt seinen Geschäftsgang2) und seine Disziplin durch eine Geschäfts-Ordnung und erwählt seinen Präsidenten, seine Vizepräsidenten und Schriftführer.

1) Die Wahlen werden von den einzelnen Abtheilungen des Reichstags einer Vorprüfung unterworfen. Findet die Abtheilung ein erhebliches Bedenken oder liegt eine Wahlanfechtung oder von Seite eines Reichstagsmitgliedes Einsprache vor, so ist der Sachverhalt dem Reichstage zur Entscheidung vorzulegen. Für Wahlanfechtungen und Einsprachen gilt eine 10tägige Präclusivfrist. Bis zur Ungiltigkeitserklärung einer Wahl hat der Gewählte Sitz und Stimme im Reichstage (§ 3-6 der Geschäftsordnung).

2) Die Geschäftsordnung des deutschen Reichstags ist zur Zeit diejenige des norddeutschen Reichstags (Sten. Ber. S. 5); über deren Entstehung s. Rönne in Hirths Annalen Bd. IV S. 268. Diese Geschäftsordnung ermöglicht namentlich deßhalb eine rasche Erledigung der Geschäfte, weil sie von dem anderwärts geltenden Grundsatze, wonach die Berathungsgegenstände in der Regel an einen Ausschuß oder eine Kommission zu verweisen sind, absieht und eine sofortige Inangriffnahme in Plenum gestattet. Im Interesse der Gründlichkeit besteht hierbei die Vorschrift, daß Gesetzesvorlagen und Anträge, welche Gesetzentwürfe enthalten, einer dreimaligen Berathung im Hause unterstellt werden, nemlich einer Vorberathung, in welcher nur die allgemeinen Gesichtspunkte zur Besprechung gelangen, dann einer zweiten Berathung, welche der Specialdiskussion gewidmet ist, und einer Schlußberathung, in welcher noch Anträge zulässig sind und über die Annahme und Ablehnung des Gesetzentwurfs abgestimmt wird (§ 15 —23 der Geschäftsordnung). Durch diese Vorschriften ist die Ueberweisung von umfassenderen oder wichtigeren Gegenständen an besondere Kommissionen nicht ausgeschlossen.

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