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Reichsverfassungsurkunde

vom 16. April 1871 und die wichtigsten Administrativgesetze des deutschen Reichs mit einer systematischen Darstellung der Grundzüge des deutschen Verfassungsrechts.
Herausgegeben und erläutert von Emil Riedel im Verlag C.H. Beck, Nördlingen 1871.

Anhang zur zweiten Abtheilung. III. Vertrag mit Bayern.
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Anhang zur zweiten Abtheilung.

III.

Vertrag mit Bayern.

d. d. Versailles den 23. Nov. 1870.

Die Bevollmächtigten des norddeutschen Bundes und Bayerns sind in Versailles zusammengetreten, haben ihre Vollmachten ausgetauscht und haben sich, nachdem diese letzteren in guter Ordnung befunden waren, über nachfolgende Vertragsbestimmungen geeinigt:

I.

Das Königreich Bayern und die Staaten des norddeutschen Bundes schließen einen ewigen Bund, welchem das Großherzogthum Baden und das Großherzogthum Hessen für dessen südlich vom Main belegenes Staatsgebiet schon beigetreten sind und zu welchem der Beitritt des Königreiches Württemberg in Aussicht steht. Dieser Bund heißt der deutsche Bund.

II.

Die Verfassung des deutschen Bundes ist die des bisherigen norddeutschen Bundes, jedoch mit nachfolgenden Abänderungen: (Es folgen nun die §§ 1-26, welche weggelassen wurden, da sie in den Text der Verfassungsurkunde übergegangen sind.)

III.

Die vorstehend festgestellte Verfassung des deutschen Bundes erleidet hinsichtlich ihrer Anwendung auf das Königreich Bayern nachstehende Beschränkungen:

§1

Das Recht der Handhabung der Aufsicht Seitens des Bundes über die Heimaths- und Niederlassungsverhältnisse und dessen Recht der Gesetz- gebung über diesen Gegenstand erstreckt sich nicht auf das Königreich Bayern. Das Recht des Bundes auf die Handhabung der Aufsicht und Geseggebung über das Eisenbahnwesen, dann über das Post- und Telegraphenwessen erstreckt sich auf das Königreich Bayern nur nach Maßgabe der in den §§ 3 und 4 enthaltenen Bestimmungen.

§2

Für die erste Wahl zum Reichstage wird die Abgrenzung der Wahlbezirke in Bayern in Ermangelung der bundesgesetzlichen Feststellung von der königlich bayerischen Regierung bestimmt werden.

§3

Die Artikel 42 bis einschliesslich 46 der Bundesverfassung sind auf das Königreich Bayern nicht anwendbar. Dem Bunde steht jedoch auch dem Königreiche Bayern gegenüber das Recht zu, im Wege der Gesetzgebung einheitliche Normen für die Construktion und Ausrüstung der für die Landesvertheidigung wichtigen Eisenbahnen aufzuftellen.

§4

Die Artikel 48 bis einschließlich 52 der Bundesverfassung finden auf das Königreich Bayern keine Anwendung. Das Königreich Bayern behält die freie und selbständige Verwaltung seines Post- und Telegraphenwesens. Dem Bunde steht jedoch auch für das Königreich Bayern die Gesetzgebung über die Vorrechte der Post und Telegraphie, über die rechtlichen Verhältnisse beider Anstalten zum Publikum, über die Portofreiheiten und das Post-Taxwesen, soweit beide letzteren nicht lediglich den inneren Verkehr in Bayern betreffen, sowie unter gleicher Beschränkung die Feststellung der Gebühren für die telegraphische Correspondenz, endlich die Regelung des Post- und Telegraphenverkehres mit dem Auslande zu. An den zur Bundeskasse fließenden Einnahmen des Post- und Telegraphenwesens hat Bayern keinen Antheil.

§ 5.

Anlangend die Artikel 57 bis 68 von dem Bundeskriegswesen, so findet Artikel 57 Anwendung auf das Königreich Bayern; Artikel 58 ist gleichfalls für das Königreich Bayern giltig. Dieser Artikel erhält jedoch für Bayern folgenden Zusatz: Der in diesem Artikel bezeichneten Verpflichtung wird von Bayern in der Art entsprochen, daß es die Kosten und Lasten seines Kriegswesens, den Unterhalt der auf seinem Gebiete belegenen festen Plätze und sonstigen Fortifikationen einbegriffen, ausschließlich und allein trägt.

Artikel 59 hat gleichwie der Artikel 60 für Bayern gesetzliche Geltung. Die Artikel 61 und 68 finden auf Bayern keine Anwendung. An deren Stelle treten folgende Bestimmungen :

I. Bayern behält zunächst seine Militärgesetzgebung nebst den dazu gehörigen Vollzugs-Instruktionen, Verordnungen, Erläuterungen etc. bis zur verfassungsmäßigen Beschlußfassung über die der Bundesgesetzgebung anheimfallenden Materien, resp. bis zur freien Verständigung bezüglich der Einführung der bereits vor dem Eintritte Bayerns in den Bund in dieser Hinsicht erlassenen Gesetze und sonstigen Bestimmungen.

II. Bayern verpflichtet sich, für sein Contingent und die zu demselben gehörigen Einrichtungen einen gleichen Geldbetrag zu verwenden, wie nach Verhältniß der Kopfstärke durch den Militäretat des deutschen Bundes für die übrigen Theile des Bundesheeres ausgesetzt wird.

Dieser Geldbetrag wird im Bundesbudget für das kgl. bayerische Contingent in einer Summe ausgeworfen. Seine Verausgabung wird durch Spezial-Etats geregelt, deren Aufstellung Bayern überlassen bleibt.

Hiefür werden im Allgemeinen diejenigen Etatsansätze nach Verhältniß zur Richtschnur dienen, welche für das übrige Bundesheer in den einzelnen Titeln ausgeworfen sind.

III. Das bayerische Heer bildet einen in sich geschlossenen Bestandtheil des deutschen Bundesheeres mit selbständiger Verwaltung unter der Militärhoheit Seiner Majestät des Königs von Bayern; im Kriege - und zwar mit Beginn der Mobilisirung - unter dem Befehle des Bundesfeldherrn. In Bezug auf Organisation, Formation, Ausbildung und Gebühren, dann hinsichtlich der Mobilmachung wird Bayern volle Uebereinstimmung mit den für das Bundesheer bestehenden Normen herstellen. Bezüglich der Bewaffnung und Ausrüstung, sowie der Gradabzeichen behält sich die kgl. bayerische Regierung die Herstellung der vollen Uebereinstimmung mit dem Bundesheere vor. Der Bundesfeldherr hat die Pflicht und das Recht, sich durch In- spektionen von der Uebereinstiurmung in Organisation, Formation und Ausbildung, sowie von der Vollzähligkeit und Kriegstüchtigkeit des bayerischen Contingents Ueberzeugung zu verschaffen, und wird sich Über die Modalitäten derjeweiligen Vornahme und über das Ergebniß dieser Inspektionen mit Seiner Majestät dem Könige von Bayern in's Vernehmen setzen.

Die Anordnung der Kriegsbereitschaft (Mobilisirung) des bayerischen. Contingents oder eines Theiles desselben erfolgt auf Veranlassung des Bundesfeldherrn durch Seine Majestät den König von Bayern. Zur steten gegenseitigen Information in den durch diese Vereinbarung geschaffenen militärischen Beziehungen erhalten die Militärbevollmächtigten in Berlin und München über die einschlägigen Anordnungen entsprechende Mittheilung durch die respektiven Kriegsministerien.

IV. Im Kriege sind die bayerischen Truppen verpflichtet, den Befehlen des Bundesfeldherrn unbedingt Folge zu leisten.

Diese Verpflichtung wird in den Fahneneid aufgenommen.

V. Die Anlage von neuen Befestigungen auf bayerischem Gebiete im Interesse der gesammtdeutschen Vertheidigung wird Bayern im Wege jeweiliger specieller Vereinbarung zugestehen.

Anden Kosten für den Bau und die Ausrüstung solcher Befestigungsanlagen auf seinem Gebiete betheiligt sich Bayern in dem seiner Bevölkerungszahl entsprechenden Verhältnisse gleichmäßig mit den anderen Staaten des deutschen Bundes; ebenso an den für sonstige Festungsanlagen etwa Seitens des Bundes zu bewilligenden Extraordinarien. VI. Die Voraussetzungen, unter welchen wegen Bedrohung der öffentlichen Sicherheit das Bundesgebiet oder ein Theil desselben durch den Bundesfeldherrn in Kriegszustand erklärt werden kann, die Form der Verkündung und die Wirkungen einer solchen Erklärung werden durch ein Bundesgesetz geregelt. VII. Vorstehende Bestimmungen treten mit dem 1. Januar 1872 in Wirksamkeit.

§ 6.

Die Artikel 69 und 71 der Bundesverfassung finden auf die von Bayern für sein Heer zu machenden Ausgaben nur nach Maßgabe der Bestimmungen des vorstehenden Paragraphen Anwendung, Artikel 72 aber nur insoweit, als dem Bundesrathe und dem Reichstage lediglich die Ueberweisung der für das bayerische Heer erforderlichen Summe an Bayern nachzuweisen ist.

§ 7.

Die in den vorstehenden Paragraphen 1 bis 6 enthaltenen Bestimmungen sind als ein integrirender Bestandtheil der Bundesverfassung zu betrachten. In allen Fällen, in welchen zwischen diesen Bestimmungen und dem Texte der deutschen Verfassungsurkunde eine Verschiedenheit besteht, haben für Bayern lediglich die ersteren Geltung und Verbindlichkeit.

§ 8.

Die unter Ziffer Il § 26 dieses Vertrages aufgeführte Uebergangsbestimmung des nunmehrigen Artikels 79 der Verfassung findet auf Bayern in Anbetracht der vorgerückten Zeit und der Nothwendigkeit mannigfaltiger Umgestaltung anderer mit dem Gegenstande der Bundesgesetzgebung in Zusammenhang stehender Gesetze und Einrichtungen keine Anwendung. Die Erklärung der im norddeutschen Bunde ergangenen Gesetze zu Bundesgesetzen für das Königreich Bayern bleibt vielmehr, soweit diese Gesetze auf Angelegenheiten sich beziehen, welche verfassungsmäßig der Gesetzgebung des deutschen Bundes unterliegen, der Bundesgesetzgebung vorbehalten.

IV.

Da in Anbetracht der großen Schwierigkeiten, welche theils die vorgerückte Zeit, theils die Fortdauer des Krieges der Aufstellung eines Etats für die Militärverwaltung des deutschen Bundes für das Jahr 1871 und beziehungsweise der Feststellung der von Bayern auf sein Heer zu verwendenden Gesammtsumme für dieses Jahr entgegenstellen, die Bestimmungen unter III § 5 dieses Vertrages erst mit dem 1. Januar 1872 in Wirksamkeit treten, wird der Ertrag der im Artikel 35 bezeichneten gemeinschaftlichen Abgaben für das Jahr 1871 nicht zur Bundeskasse fließen, sondern der Staatskasse Bayerns verbleiben, dagegen aber der Beitrag Bayerns zu den Bundesausgaben durch Matrikularbeiträge aufgebracht werden.

V.

Diejenigen Vorsschriften der Verfassung, durch welche bestimmte Rechte einzelner Bundesstaaten in deren Verhältniß zur Gesammtheit festgestellt sind, insbesondere soviel Bayern angeht, die unter Ziffer III dieses Vertrages aufgeführten Bestimmungen können nur mit Zustimmung des berechtigten Bundesstaates abgeändert werden.

VI.

Gegenwärtiger Vertrag tritt mit dem 1. Januar 1871 in Wirksamkeit. Die vertragsschließenden Theile geben sich deshalb die Zusage, daß derselbe unverweilt den gesetzgebenden Faktoren des Norddeutschen Bundes und Bayerns zur verfasungsmäßigen Zustimmung vorgelegt und nach Ertheilung dieser Zustimmung im Laufe des Monats Dezember ratifizirt werden wird. Die Ratifikations- Erklärungen sollen in Berlin ausgetauscht werden. Zu Urkund dessen haben die Eingangs geuannten Bevollmächtigten diesen Vertrag in doppelter Ausfertigung am heutigen Tage mit Ihrer Namenzunterschrift und Ihrem Siegel versehen.

So geschehen Versailles, den 23. November 1870.

 

 

          

Schlußprotokoll.

vom 23. Nov. 1870.

Bei der Unterzeichnung des Vertrages über den Abschluß eines Verfassungsbündnisses zwischen Seiner Majestät dem Könige von Bayern und Seiner Majestät dem Könige von Preußen, Namens des norddeutschen Bundes, sind die unterzeichneten Bevollmächtigten noch Über nachstehende vertragsmäßige Zusagen und Erklärungen übereingekommen:

I.

Es wurde auf Anregung der kgl. bayerischen Bevollmächtigten von Seite des kgl. preußischen Bevollmächtigten anerkannt, daß, nachdem sich das Gesetzgebungsrecht des Bundes bezüglich der Heimaths- und Niederlassungsverhältnisse auf das Königreich Bayern nicht erstreckt, die Bundeslegislative auch nicht zuständig sei, das Verehelichungswesen mit verbindlicher Kraft für Bayern zu regeln, und daß also das für den norddeutschen Bund erlassene Gesetz vom 4. Mai 1868, die Aufhebung der polizeilichen Beschränkungen der Eheschließungen betreffend, jedenfalls nicht zu denjenigen Gesetzen gehört, deren Wirksamkeit auf Bayern ausgedehnt werden könnte.

II *)

Von Seite des kgl. preußischen Bevollmächtigten wurde anerkannt, daß unter der Gesetzgebungsbefugniß des Bundes über Staatsbürgerrecht nur das Recht verstanden werden solle, die Bundes- und Staatsangehörigkeit zu regeln und den Grundsatz der politischen Gleichberechtigung aller Confessionen durchzuführen, daß sich im Uebrigen diese Legislative nicht auf die Frage erstrecken solle, unter welchen Voraussetzungen Jemand zur Ausübung politischer Rechte in einem einzelnen Staate befugt sei.

III.

Die unterzeichneten Bevollmächtigten kamen dahin überein, daß in Anbetracht der unter Ziff. I statuirten Ausnahme von der Bundeslegislative der Gothaer Vertrag vom 15. Juli 1851 wegen gegenseitiger Uebernahme der Ausgewiesenen und Heimathslosen, dann die sogenannte Eisenacher Convention vom 11. Juli 1853 wegen Verpflegung erkrankter und Beerdigung verstorbener Unterthanen für das Verhältniß Bayerns zu dem übrigen Bundesgebiete fortdauernde Geltung haben sollten.

IV.

Als vertragsmäßige Bestimmung wurde in Anbetracht der in Bayern bestehenden besonderen Verhältnisse bezüglich des Immobiliarversicherungswesens und des engen Zusammenhanges derselben mit dem Hypothekar-Kreditwesen festgestellt, daß, wenn sich die Gesetzgebung des Bundes mit dem Immobiliar-Versicherungswesen befassen sollle, die vom Bunde zu erlassenden gesetzlichen Bestimmungen in Bayern nur mit Zustimmung der bayerischen Regierung Geltung erlangen können.

V.

Der kgl. preußische Bevollmächtigte gab die Zusicherung, daß Bayern bei der ferneren Ausarbeitung des Entwurfes eines allgemeinen deutschen Civilprozetzgesetzbuches entsprechend betheiligt werde.

VI.

Als unbestritten wurde von dem kgl. preußischen Bevollmächtigten zugegeben, daß selbst bezüglich der der Bundeslegislative zugewiesenen Gegenstände die in den einzelnen Staaten geltenden Gesetze und Verordnungen insolange in Kraft bleiben und auf dem bisherigen Wege der Einzelngesetzgebung abgeändert werden können, bis eine bindende Norm vom Bunde ausgegangen ist.

VII.

Der kgl. preußische Bevollmächtigte gab die Erklärung ab, daß Seine Majestät der König von Preußen kraft der Allerhöchstihnen zustehenden Präsidialrechte, mit Zustimmung Seiner Majestät des Königs von Bayern, den kgl. bayerischen Gesandten an den Höfen, an welchen solche beglaubiget sind, Vollmacht ertheilen werden, die Bundesgesandten in Verhinderungsfällen zu vertreten.

Indem diese Erklärung von den kgl. bayerischen Bevollmächtigten acceptirt wurde, fügten diese bei, daß die bayerischen Gesandten angewiesen sein würden, in allen Fällen, in welchen dieß zur Geltendmachung allgemein deutscher Interesssen erforderlich oder von Nutzen sein wird, den Bundesgesandten ihre Beihilfe zu leisten.

VIII.

Der Bund übernimmt in Anbetracht der Leistungen der bayerischen Regierung für den diplomatischen Dienst desselben durch die unter Ziff. VII erwähnte Bereitstellung ihrer Gesandtschaften und in Erwägung des Umstandes, daß an denjenigen Orten, an welchen Bayern eigene Gesandtschaften unterhalten wird, die Vertretung der bayerischen Angelegenheiten dem Bundesgesandten nicht obliegt, die Verpflichtung, bei Feststellung der Ausgaben für den diplomatischen Dienst des Bundes der bayerischen Regierung eine angemesssene Vergütung in Anrechnung zu bringen.

Ueber Festsetzung der Größe dieser Vergütung bleibt weitere Vereinbarung vorbehalten.

IX.

Der kgl. preußische Bevollmächtigte erkannte es als ein Recht der bayerischen Regierung an, daß ihr Vertreter im Falle der Verhinderung Preußens den Vorsitz im Bundesrathe führe.

X.

Zu den Art. 35 und 38 der Bundesverfassung war man darüber einverstanden, daß die nach Maßgabe der Zollvereinsverträge auch ferner zu erhebenden Uebergangsabgaben von Branntwein und Bier ebenso anzusehen sind, wie die auf die Bereitung dieser Getränke gelegten Abgaben.

XI.

Es wurde allseitig anerkannt, daß bei dem Abschlusse von Post- und Telegraphenverträgen mit außerdeutschen Staaten zur Wahrung der besonderen Landesinteresssen Vertreter der an die betreffenden außerdeutschen Staaten angrenzenden Bundesstaaten zugezogen werden sollen, und daß den einzelnen Bundesstaaten unbenommen ist, mit anderen Staaten Verträge über das Post- nnd Telegraphenwesen abzuschließen, sofern sie lediglich den Grenzverkehr betreffen.

XII.

Zu Artikel 56 der Bundesverfassung wurde allseitig anerkannt, daß den einzelnen Bundesstaaten das Recht zustehe, auswärtige Consuln bei sich zu empfangen und für ihr Gebiet mit dem Exequatur zu versehen. Ferner wurde die Zusicherung gegeben, daß Bundeskonsuln an auswärtigen Orten auch dann aufgestellt werden sollen, wenn es nur das Interesse eines einzelnen Bundesstaates als wünschenswerth erscheinen läßt, daß dieß geschehe.

XIII.

Es wurde ferner allseitig anerkannt, daß zu den im norddeutschen Bunde ergangenen Gesetzen, deren Erklärung zu Gesetzen des deutschen Bundes der Bundesgesetzgebung vorbehalten bleibt, das Gesetz vom 21. Juli ds. Jrs., betreffend den außerordentlichen Geldbedarf, die Militär- und Marineverwaltung nicht gehört, und daß das Gesetz vom 31. Mai d. Js., betreffend die St. Gotthard-Eisenbahn, jedenfalls nicht ohne Veränderung seines Inhalts zum Bundesgesetze würde erklärt werden können.

XIV.

In Erwägung der in Ziffer III § 5 enthaltenen Bestimmungen über das Kriegswesen wurde - mit besonderer Beziehung auf die Festungen - noch Nachfolgendes vereinbart :

§1

Bayern erhält die Festungen Ingolstadt und Germersheim, sowie die Fortifikationen von Neu-Ulm und die im bayerischen Gebiete auf gemeinsame Kosten etwa künftig angelegt werdenden Befestigungen in vollkommen vertheidigungsfähigem Stande.

§ 2.

Solche neu angelegte Befestigungen treten bezüglich ihres immobilen Materials in das ausschließliche Eigenthum Bayerns. Ihr mobiles Material hingegen wird gemeinsames Eigenthum der Staaten des Bundes. InBetreff dieses Materials gilt bis auf Weiteres die Uebereinkunft vom 6. Juli 1869, welche auch hinsichtlich des mobilen Festungsmaterials der vormaligen deutschen Bundesfestungen Mainz, Rastatt und Ulm in Kraft bleibt.

§3

Die Festung Landau wird unmittelbar nach dem gegenwärtigen Kriege als solche aufgehoben.

Die Ausrüstung dieses Platzes, soweit sie gemeinsames Eigenthum, wird nach den der Uebereinkunft vom 6. Juli 1869 zu Grunde liegenden Prinzipien behandelt.

§4

Diejenigen Gegenstände des bayerischen Kriegswesens, betreffs welcher der Bundesvertrag vom Heutigen oder das vorliegende Protokoll nicht ausdrückliche Bestimmungen enthalten - sohin insbesondere die Bezeichnung der Regimenter etc., die Uniformirung, Garnisonirung, das Personal- und Militär-Bildungswesen u. s. w. werden durch dieselbe nicht berührt.

Die Betheiligung bayerischer Offiziere an den für höhere militärwissenschaftliche oder technische Ausbildung bestehenden Anstalten des Bundes wird spezieller Vereinbarung vorbehalten.

XV.

Wenn sich in Folge des mangelhaft dahier vorliegenden Materials ergeben sollte, daß bei Aufführung des nunmehrigen Wortlautes der Bundesverfassung unter Ziffer I § 1-26 ein Irrthum unterlaufen ist, behalten sich die contrahirenden Theile dessen Berichtigung vor.

XVI.

Die Bestimmungen dieses Schlußprotokolls sollen ebenso verbindlich sein, wie der Vertrag vom Heutigen über den Abschluß eines deutschen Verfassungsbündnisses selbst und sollen mit diesem gleichzeitig ratifizirt werden.

So geschehen Versailles, den 23. November 1870.

 

 

 

V.

Verhandelt Berlin, den 8. Dezember 1870.

Nachdem zwischen Seiner Majestät dem Könige von Preußen, im Namen des norddeutschen Bundes, Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzoge von Baden und Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzoge von Hesssen und bei Rhein eine Verfassung des deutschen Bundes vereinbart worden, und Seine Majestät der König von Württemberg dieser Verfassung beigetreten ist, und nachdem Seine Majestät der König von Preußen, im Namen des norddeutschen Bundes, und Seine Majestät der König von Bayern einen Vertrag über den Abschluß eines Verfassungs-Bündnissses geschlossen haben, sind die unterzeichneten Bevollmächtigten, nämlich:

für den norddeutschen Bund:
der kgl. sächsische Staatsminister der Finanzen und der auswärtigen Angelegenheiten, Richard Freiherr von Friesen,
und
der Präsident des Bundeskanzleramtes, kgl. preußischer Staatsminister Martin Friedrich Rudolph Delbrück ;

für Bayern:
der kgl. bayerische Staatsminister der Justiz, Johann von Lutz;

für Württemberg:
der kgl. württembergische Justizminister, Herrmann von Mittnacht ;

für Baden:
der großherzogl. badische Präsident des Ministeriums des großherzoglichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten, Rudolph von Freydorf,
und
der großherzogl. badische außerordentliche Gesandte und bevollmächtigte Minister, Hans Freiherr von Türckheim;

für Hessen:
der großherzogl. hessische außerordentliche Gesandte und bevollmächtigte Minister, geh. Legationsrath Carl Hofmann,

in Berlin zusammengetreten, um die Zustimmung Württembergs, Badens und Hessens zu dem im Eingange erwähnten Vertrage zwischen dem norddeutschen Bunde und Bayern und, soweit dieß noch erforderlich ist, die Zustimmung Bayerns zu der zwischen dem norddeutschen Bunde, Baden und Hessen vereinbarten Verfassung und dem, über den Beitritt zu dieser Verfassung mit Württemberg abgeschlossenen Vertrage festzustellen.

Die unterzeichneten Bevollmächtigten haben, nach gegenseitiger Vorlegung und Anerkennung ihrer Vollmachten, konstatirt, daß Württemberg, Baden und Hessen dem zwischen dem norddeutschen Bunde und Bayern über den Abschluß eines Verfassungsbündnisses am 23. November ds. Js. zu Versailles abgeschlossenen Vertrage nebst dem dazu gehörigen Schlußprotokolle von demselben Tage zustimmen, und daß Bayern, soweit dieß in Betracht der Verabredung unter I des eben gedachten Vertrages noch erforderlich ist, der zwischen dem norddeutschen Bunde, Baden und Hessen vereinbarten, dem Protokolle d. d. Versailles den 15. November d. Js. angeschlossenen Verfassung des deutschen Bundes und den in diesem Protokolle getroffenen Verabredungen, sowie dem zu Berlin am 25. November d. J. unterzeichneten Vertrage zwischen dem norddeutschen Bunde, Baden und Hessen einerseits, und Württemberg andererseits über den Beitritt der letzteren zu der vorerwähnten Verfassung, den in dem Schlußprotolle zu diesem Vertrage getroffenen Verabredungen und der Militärkonvention zwischen dem nordd. Bunde und Württemberg vom 21./25. Novbr. I. Js. zustimmt.

Die Unterzeichneten waren darüber einverstanden, daß der Inhalt der gegenwärtigen Verhandlung als durch die Ratifikation derjenigen Urkunden genehmigt angesetzen werden soll, auf welche sich die gegenwärtige Verhandlung bezieht.

*) In der später verbesserten Fassung abgedruckt; vgl. oben die Note 6 zu Art. 4 der Reichsverf. S. 92.

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