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Reichsverfassungsurkunde

vom 16. April 1871 und die wichtigsten Administrativgesetze des deutschen Reichs mit einer systematischen Darstellung der Grundzüge des deutschen Verfassungsrechts.
Herausgegeben und erläutert von Emil Riedel im Verlag C.H. Beck, Nördlingen 1871.

Zweite Abtheilung. Verfassung des deutschen Reiches. XII. Reichsfinanzen.
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Artikel 73.

In Fällen eines außerordentlichen Bedürfnisses kann im Wege der Reichsgesetzgebung die Aufnahme einer Anleihe,1) sowie die Übernahme einer Garantie2) zu Lasten des Reichs erfolgen.

1) a. Von dieser Befugniß hat der norddeutsche Bund bereits mehrfach Gebrauch gemacht; vergleiche hierzu die Gesetze vom 9. Novbr. 1867, 20. Mai 1869, 6. April 1870, 21. Juli 1870, 29. Novbr., 1870, dann das Reichsgesetz vom 26. April 1871.

b. Die Frage, in wieferne das deutsche Reich für die Schulden des norddeutschen Bundes einzutreten habe, wurde bei den Verhandlungen über die Verträge mit den süddeutschen Staaten nicht erschöpfend geregelt; vergleiche hierzu oben die Bemerkungen zum Eingange der Verfassung Note 2, b S. 76, dann die Verhandlungen des norddeutschen Reichstags, II. außerordentliche Session 1870 Stenogr. Ber. S. 132 und 133; ferner die Verhandlungen des deutschen Reichstags Sten. Ber. S.776 ff.

Im bayrischen Schlußprotokolle findet sich jedoch sub Nr. XIII folgendes, auch im badisch-hessischen Vertrage Ziff. 9 enthaltene Anerkenntniß:

„Es wurde ferner allseitig anerkannt, daß zu den im norddeutschen Bunde ergangenen Gesetzen, deren Erklärung zu Gesetzen des deutschen Bundes, der Bundesgesetzgebung vorbehalten bleibt, das Gesetz vom 21. Juli 1870, betreffend den außerordentlichen Geldbedarf der Militär- und Marine-Verwaltung, nicht gehört und daß das Gesetz vom 31. Mai 1870, betreffend die Sct. Gotthard-Eisenbahn, jedenfalls nicht ohne Veränderung seines Inhaltes zum Bundesgesetze würde erklärt werden können.“

Bayern wurde auch mit Rücksicht auf den Umstand, daß es die Kosten seiner Befestigungsanlagen selbst trägt, von der Beitragsleistung zu den Zinsen des für die Küstenbefestigung verwendeten, zum Extraordinarium der Militärverwaltung gehörenden Kapitals freigelassen (Stenogr. Ber. 1871 S. 776 ff.)

c. Die Verwaltung der Bundesschulden ist durch Gesetz vom 19. Juni 1868, dann durch die Bestimmungen in § 4 resp. § 2 der Gesetze vom 21. Juli und 29. Novemb. 1870 bis zum Erlaß eines definitiven Gesetzes über die Bundesschuldenverwaltung der preußischen Hauptverwaltung der Staatsschulden unter der Oberleitung des Reichskanzlers übertragen.

Die Geschäfte der Staatsschulden-Kommission werden nach § 4 des Gesetzes vom 19. Juni 1868 von einer ,„Bundesschulden-Kommission“wahrgenommen, welche aus drei Mitgliedern des Bundesraths und zwar aus dem jedesmaligen Vorsitzenden des Ausschusses für das Rechnungswesen und zwei gewählten Mitgliedern dieses Ausschusses, ferner aus drei - mit absoluter Stimmenmehrheit auf drei Jahre gewählten -Mitgliedern des Reichstags, und aus dem Präsidenten der Rechnungsbehörde des (nord-)deutschen Bundes, bis zu deren Errichtung aber aus dem hiefür besonders zu beeidigenden Chefpräsidenten der preußischen Oberrechnungskammer besteht. - Über die Verwaltung des Bundesschuldenwesens war dem norddeutschen Reichstage bereits im Jahre 1867 ein Gesetzentwurf vorgelegen ; vergleiche die Stenogr. Ber. dieses Reichstags S. 524, 656 -669 ; dann die Anlagen hierzu S. 200 ff. und 246 ff.

2) Eine derartige Garantie wurde übernommen durch das Gesetz, betreffend die antheilige Übernahme einer Garantie des norddeutschen Bundes für eine zur Herstellung der dauernden Fahrbarkeit des Sulinaarmes der Donaumündungen von der Europäischen Donauschifffahrts-Commission aufzunehmenden Anleihe; vom 11. Juni 1868 (Bundesgesetzbl. 1869 S. 33 und. 34). Ob dieses Gesetz für die süddeutschen Staaten Verbindlichkeiten erzeugt, ist in den Verträgen nicht bestimmt. In gewissem Sinne gehört ferner hieher das oben in Note 1, b erwähnte Gesetz vom 31. Mai 1870, betreffend die Sct. Gotthardsbahn.

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