Bismarcks Erben Logo

Reichsverfassungsurkunde

vom 16. April 1871 und die wichtigsten Administrativgesetze des deutschen Reichs mit einer systematischen Darstellung der Grundzüge des deutschen Verfassungsrechts.
Herausgegeben und erläutert von Emil Riedel im Verlag C.H. Beck, Nördlingen 1871.

Zweite Abtheilung. Verfassung des deutschen Reiches. XI. Reichs-Kriegswesen.
← Artikel 62 | Seite 147-251 | Artikel 64 →

Artikel 63.1)

Die gesammte Landmacht des Reichs wird ein einheitliches Heer bilden, welches in Krieg und Frieden unter dem Befehle des Kaisers steht.2)

Die Regimenter etc. führen fortlaufende Nummern durch das ganze deutsche Heer.3) Für die Bekleidung sind die Grundfarben und der Schnitt der Königlich Preußischen Armee maßgebend.4)

Dem betreffenden Kontingentsherrn bleibt es überlassen, die äußeren Abzeichen (Kokarden etc.) zu bestimmen.

Der Kaiser hat die Pflicht und das Recht,5) dafür Sorge zu tragen, daß innerhalb des deutschen Heeres alle Truppentheile vollzählig und kriegstüchtig vorhanden sind und daß Einheit in der Organisation und Formation, in Bewaffnung und Kommando, in der Ausbildung der Mannschaften,6) sowie in der Qualifikation der Offiziere hergestellt und erhalten wird. Zu diesem Behufe ist der Kaiser berechtigt, sich jederzeit durch Inspektionen von der Verfassung der einzelnen Kontingente zu überzeugen und die Abstellung der dabei vorgefundenen Mängel anzuordnen.

Der Kaiser bestimmt den Präsenzstand, die Gliederung und Eintheilung der Kontingente des Reichsheeres, sowie die Organisation der Landwehr, und hat das Recht, innerhalb des Bundesgebietes die Garnisonen zu bestimmen, sowie die kriegsbereite Aufstellung eines jeden Theils des Reichsheeres anzuordnen.7)

Behufs Erhaltung der unentbehrlichen Einheit in der Administration, Verpflegung, Bewaffnung und Ausrüstung aller Truppentheile des deutschen Heeres sind die bezüglichen künftig ergehenden Anordnungen für die Preußische Armee den Kommandeuren der übrigen Kontingente, durch den Artikel 8 Nr. 1 bezeichneten Ausschuß für das Landheer und die Festungen, zur Nachachtung in geeigneter Weise mitzutheilen.8)

1) a. Dieser Artikel findet auf Bayern keine Anwendung, es sind jedoch zur Herstellung der Einheit des deutschen Heeres in Ziff. III § 5 Nr. III die in den folgenden Noten erwähnten Bestimmungen getroffen.

b. Für Württemberg hat zwar der Art. 63 principiell Geltung, jedoch sind auch durch die württembergische Militärconvention einige in den nachstehenden Bemerkungen angeführte Abweichungen vereinbart worden.

2) a. „Das bayrische Heer bildet einen in sich geschlossenen Bestandtheil des deutschen Bundesheeres mit selbständiger Verwaltung unter der Militärhoheit Seiner Majestät des Königs von Bayern; im Kriege - und zwar mit Beginn der Mobilisirung - unter dem Befehle des Bundesfeldherrn.“

b. Die k. württembergischen Truppen als Theil des deutschen Bundesheeres bilden ein in sich geschlossenes Armeekorps nach der vertragsmäßig festgestellten Formation nebst der entsprechenden Anzahl von Ersatz und Besatzungstruppen nach preußischen Normen im Falle der Mobilmachung oder Kriegsbereitschaft“ (Art. 1 der Milit.-Conv.).

3) „Von der Rückkehr auf den Friedensfuß an bilden die k. württembergischen Truppen das vierzehnte deutsche Bundesarmeekorps mit ihren eigenen Fahnen und Feldzeichen und erhalten die Divisionen, Brigaden, Regimenter und selbständigen Bataillone des Armeekorps die entsprechende laufende Nummer in dem deutschen Bundesheere neben der Numerirung im k. württembergischen Verbande“ (Art. 3 der Milit.-Conv.). Hinsichtlich Bayerns vergleiche den Schlußsatz der folgenden Note 4.

4) „Die Bestimmungen über die Bekleidung für das k. württembergische Armeekorps werden von Seiner Majestät dem König von Württemberg gegeben und es soll dabei den Verhältnissen der Bundesarmee die möglichste Rechnung getragen werden“ (Art. 10 der Milit.-Conv.). Für Bayern besteht keine ähnliche Bestimmung, vielmehrist in Ziff. XIV § 4 des bayr. Schlußprotokolls konstatirt : „Diejenigen Gegenstände des bayr. Kriegswesens, betreffs welcher der Vertrag oder das Schlußprotokoll nicht ausdrückliche Bestimmungen enthalten - sohin insbesondere die Bezeichnung der Regimenter etc., die Uniformirung, Garnisonirung, das Personal- und Militärbildungswesen etc. - werden nicht berührt.“

5) a, Bayern: „Der Bundesfeldherr hat die Pflicht und das Recht, sich durch Inspektionen von der Uebereinstimmung in Organisation, Formation und Ausbildung, sowie von der Vollzähligkeit und Kriegstüchtigkeit des bayrischen Kontingents Ueberzeugung zu verschaffen und wird sich über das Ergebniß dieser Inspektionen mit Seiner Majestät dem Könige von Bayern ins Benehmen setzen."

b. Württemberg. „Der Bundesfeldherr wird die kgl. württembergischen Truppen alljährlich mindestens einmal entweder Allerhöchstselbst inspiciren oder durch zu ernennende Inspekteure, deren Personen vorher Seiner Majestät dem König von Württemberg bezeichnet werden sollen, in den Garnisonen oder bei den Uebungen inspiciren lassen.

Die in Folge solcher Inspicirungen bemerkten sachlichen oder persönlichen Mißstände wird der Bundesfeldherr dem Könige von Württemberg mittheilen, welcher seinerseits dieselben abstellen und von dem Geschehenen alsdann dem Bundesfeldherrn Anzeige machen läßt (Art. 9 der Milit.-Conv.).

6) a. Bayern: „In Bezug auf Organisation, Formation, Ausbildung und Gebühren, dann hinsichtlich der Mobilmachung wird Bayern volle Uebereinstimmung mit den für das Bundesheer bestehenden Normen herstellen. Bezüglich der Bewaffnung und Ausrüstung, sowie der Gradabzeichen behält sich die königl. bayrische Regierung die Herstellung der vollen Uebereinstimmung mit dem Bundesheere vor.“

„Die Betheiligung bayrischer Officiere an den für höhere militärwissenschaftliche oder technische Ausbildung bestehenden Anstalten des Bundes wird spezieller Vereinbarung vorbehalten“ (Schlußprot. XIV § 4).

b. Württemberg: „Für die Organisation des k. württembergischen Armeekorps sind - solange und soweit nicht auf dem Wege der Reichsgesetzgebung anders bestimmt wird — die derzeitigen preußischen Normen maßgebend“ (Milit.-Conv. Art. 10 Abs. I).

„Das k. württembergische Armeekorps participirt an den gemeinschaftlichen Einrichtungen und wird im großen Generalstabe verhältnißmäßig vertreten sein“ (Art. 12 Abs. II der Milit.-Conv.).

„Zur Beförderung der Gleichmäßigkeit in der Ausbildung und dem inneren Dienste der Truppen werden nach gegenseitiger Verabredung einige k. württembergische Officiere je auf 1-2 Jahre in die k. preußische Armee und k. preußische Officiere in das k. württembergische Armeekorps kommandirt“ (Art. 8 Abs. 1 der Milit.-Conv.).

7) a. Bayern: „Die Anordnung der Kriegsbereitschaft (Mobilisirung) des bayrischen Kontingents oder eines Theiles desselben erfolgt auf Veranlassung des Bundesfeldherrn durch Seine Majestät den König von Bayern.“

Die sonst in Art. 63 Abs. IV erwähnten Anordnungen werden für Bayern gleichfalls dem Könige von Bayern zustehen; insbesondere können die bayrischen Truppen im Frieden durch den Bundesfeldherrn nicht einseitig dislocirt, noch können andere deutsche Truppen nach Bayern verlegt werden; vergl. hierzu die oben in Note 4 am Schlusse angeführte Bestimmung des bayrischen Schlußprotokolls XIV § 4.

b. Württemberg: „Verstärkungen der k. württembergischen Truppen durch Einziehung der Beurlaubten sowie die Kriegsformationen derselben und endlich deren Mobilmachung hängen von den Anordnungen des Bundesfeldherrn ab.

Solchen Anordnungen ist allezeit uns im ganzen Umfange Folge zu leisten. Die hiedurch erwachsenden Kosten trägt die Bundeskasse, jedoch sind die k. württembergischen Kassen verpflichtet, insoweit ihre Fonds reichen, die nothwendigen Gelder vorzuschießen (Art. 14 der Milit.-Conv.).

„Unbeschadet der dem Bundesfeldherrn gemäß der Bundesverfassung zustehenden Rechte der Disponirung über alle Bundestruppen und ihrer Dislocirung soll für die Dauer friedlicher Verhältnisse das württembergische Armeekorps in seinem Verbande und seiner Gliederung erhalten bleiben und im eigenen Lande dislocirt sein; eine hievon abweichende Anordnung sowie die Dislocirung anderer deutscher Truppentheile in das Königreich Württemberg soll in friedlichen Zeiten nur mit Zuftimmung Seiner Majestät des Königs von Württemberg erfolgen, soferne es sich nicht um Besetzung süddeutscher oder westdeutscher Festungen handelt“ (Art. 6 der Milit.-Conv.).

8) a. Bayern: „Zur steten gegenseitigen Information in den durch diese Vereinbarung geschaffenen militärischen Beziehungen erhalten die Militärbevollmächtigten in Berlin und München über die einschlägigen Anordnungen entsprechende Mittheilung durch die resp. Kriegsministerien.“

b. Württemberg: „Zur Vermittelung der dienstlichen Beziehungen des k. württembergischen Armeekorps zu dem deutschen Bundesheer findet ein direkter Schriftwechsel zwischen dem k. preußischen und dem k. württembergischen Kriegsministerium statt und erhält letzteres auf diese Weise alle betreffenden zur Zeit giltigen oder später zu erlassenden Reglements etc. zur entsprechenden Ausführung. Neben dem wird die k. württembergische Regierung jederzeit in dem Bundesrathsausschuß für das Landesheer und die Festungen vertreten sein (Art. 15 der Milit.-Conv.).

zum Seitenanfang

← Artikel 62 | Seite 147-251 | Artikel 64 →


zur Inhaltsübersicht | zur Startseite | zu Bismarcks Erben