Artikel 45.1)
Dem Reiche steht die Kontrolle über das Tarifwesen zu. Dasselbe wird namentlich dahin wirken:2)
1) daß baldigst auf allen deutschen Eisenbahnen übereinstimmende Betriebsreglements3) eingeführt werden;
2) daß die möglichste Gleichmäßigkeit und Herabsetzung der Tarife4) erzielt, insbesondere, daß bei größeren Entfernungen für den Transport von Kohlen, Koaks, Holz, Erzen, Steinen, Salz, Roheisen, Düngungsmitteln und ähnlichen Gegenständen ein dem Bedürfniß der Landwirthschaft und Industrie entsprechender ermäßigter Tarif, und zwar zunächst thunlichst der Einpfennig-Tarif eingeführt werde.
1) Dieser Artikel findet auf Bayern, vorbehaltlich der Bestimmung in Art. 47 der Verfassung, keine Anwendung. Bezüglich Württembergs wurde zu Art. 45 im Schlußprotokolle vom 25. November 1870 anerkannt, „daß auf den Württembergischen Eisenbahnen bei deren Bau-, Betriebs- und Verkehrsverhältnissen nicht alle in Art. 45 aufgeführten Transportgegenstände in allen Gattungen von Verkehren zum Einpfennig-Satz befördert werden können.“
2) Die dem Reiche hiernach zugewiesene Aufgabe wird, abgesehen von dem in Art. 45 ausdrücklich erwähnten Rechte der Kontrole hauptsächlich darin bestehen, daß allgemeine Reglements und Reichsgesetze über die in Art. 45 bezeichneten Materien erlassen werden , vergl. hierzu die Verhandlungen des nordd. Reichstags von 1869 Bd. 2 S. 822 ff.
3) Zur Ausführung des Art. 45 hat der Bundesrath am 10. Juni 1870 (Bundesgesetzbl. S. 419 ff.) ein Betriebsreglement für die Eisenbahnen im nordd. Bunde erlasssen, welches in Abtheilung A die Beförderung von Personen, Reisegepäck, Leichen, Fahrzeugen und lebenden Thieren und in Abtheilung B die Beförderung von Gütern eingehend regelt.
Dieses Reglement hat auf sämmtlichen norddeutschen Eisenbahnen im Lokal- und Verbandverkehr, sowie im Verkehr von Bahn zu Bahn zur Anwendung zu kommen. „Spezialbestimmungen einzelner Eisenbahnverwaltungen oder Eisenbahnverbände haben neben diesem Reglement nur Geltung, wenn sie in die bezüglichen Tarife aufgenommen sind, mit den Festsetzungen dieses Reglements nicht im Widerspruch stehen, dieselben vielmehr nur ergänzen oder wenn sie dem Publikum günstigere Bedingungen gewähren.“
4) Hinsichtlich der Beförderung von Postsendungen durch die Eisenbahnen siehe § 5 des Gesetzes über das Postwesen des norddeutschen Bundes vom 2. November 1867 und § 4 des Gesetzentwurfs über das Postwesen des deutschen Reichs von 1871. — Über das Tarifwesen siehe die Verhandlungen des nordd. Reichstags 1869, Stenogr. Bericht Seite 823 ff.