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Reichsverfassungsurkunde

vom 16. April 1871 und die wichtigsten Administrativgesetze des deutschen Reichs mit einer systematischen Darstellung der Grundzüge des deutschen Verfassungsrechts.
Herausgegeben und erläutert von Emil Riedel im Verlag C.H. Beck, Nördlingen 1871.

Dritte Abtheilung. Anhang D zum II. Abschnitt. Bayrische Verordnung vom 14. Jannar 1851, die Einführung von Paßkarten betr.
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Anhang zum zweiten Abschnitt

D.

Bayrische Verordnung vom 14. Jannar 1851, die Einführung von Paßkarten betr.

(Regierungsblatt S. 25 ff.)

Die Regierungen von Bayern, Preußen, Sachsen, Hannover, Mecklenburg- Schwerin, Sachsen-Weimar, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha, Braunschweig, Reuß älterer und jüngerer Linie, Schaumburg-Lippe, Bremen und Hamburg von dem Wunsche geleitet, ihren Angehörigen die bei der Anlegung von Eisenbahnen in ihren Staaten rücksichtlich der Beförderung des Verkehrs beabsichtigten Vortheile auch durch eine erleichterte, zugleich aber die im Interesse der öffentlichen Sicherheit erforderliche Garantie gewährende Handhabung der Paß und Fremden-Polizei zu Theil werden zu lassen, haben im Monate Oktober v. Js. bevollmächtigte Commissäre nach Dresden abgeordnet, durch welche bezüglich der Einführung von Paßkarten in den resp. Staaten unterm 21. gl. Mts. Eine Uebereinkunft1) abgeschlossen wurde, welcher Wir Unsere allerhöchste Genehmigung zu ertheilen geruht haben.

Nachdem nunmehr die bezüglichen Ratifications-Erklärungen sämmtlicher genannten Regierungen vorliegen, überdieß auch und in gleicher Weise die Regierungen von Sachsen-Meiningen, Anhalt-Dessau und Köthen, sowie von Anhalt-Bernburg sich dem erwähnten Vertrage angeschlossen haben, so finden Wir Uns bewogen, nachstehende auf diesen Vertrag gegründete Bestimmungen zur öffentlichen Kenntniß zu bringen, und verordnen zugleich, was folgt:

Art. I.

Die Angehörigen der Eingangs erwähnten contrahirenden Staaten sind, soweit nicht in den nachfolgenden Artikeln II und IV Beschränkungen festgesetzt sind, befugt, sich zu ihren Reisen, sei es auf den Eisenbahnen, mit der Post oder sonst innerhalb der der erwähnten Uebereinkunft beigetretenen oder derselben künftig noch beitretenden Staaten statt der gewöhnlichen in den resp. Staaten vorgeschriebenen Pässe künftighin der Paßkarten zu bedienen.

Art. II.

Paßkarten dürfen nur solchen Personen ertheilt werden, welche
1) der Polizeibehörde als vollkommen zuverlässig und sicher bekannt, auch
2) völlig selbständig sind, und
3) im Bezirke der ausstellenden Behörde (Art. VI) ihren Wohnsitz haben.

In Beziehung auf die Bedingungen unter 2 und 3 können ausnahmsweise Paßkarten ertheilt werden:
a) Studirenden mit Zustimmung der betreffenden Universitätsbehörde am Universitätsorte,
b) Militärpersonen mit Genehmigung ihrer Militär-Vorgesetzten an ihrem jedesmaligen Aufenthaltsorte,
c) Unselbständigen Familiengliedern auf den Antrag des Familienhauptes (Vaters oder Vormundes), jedoch nur, wenn sie das 18. Lebensjahr überschritten haben,
d) Handlungsdienern auf den besonderen Antrag ihrer Principale am Wohnorte der letzteren.

Art. III.

Ehefrauen und Kinder, welche mit ihren Ehegatten und Eltern, sowie Dienstboten, welche mit ihren Herrschaften reisen, werden durch die Paßkarten der letzteren legitimirt.

Art. IV.

Die Paßkarten bleiben allen denjenigen versagt, welche
1) nach den bestehenden Gesetzen auch bei Reisen im Inlande paßpflichtig sind, jedenfalls den Handwerksgesellen und Gewerbegehülfen,
2) den Dienstboten und Gewerbesuchenden aller Art,
3) denen, welche ein Gewerbe im Umherziehen betreiben.

Art. V.

Die Paßkarten sind nur auf die Dauer eines Kalendesjahres gültig. In der äußern Form wird die möglichste Uebereinstimmung zwischen allen dem Paßkartenvereine angehörigen Regierungen beobachtet, und für jedes Kalenderjahr zwischen denselben eine gleiche Farbe verabredet, in welcher die Paßkarten überall gleichmäßig ausgefertigt werden.

Art. VI.

Die Ausstellung von Paßkarten in Unserem Königreiche steht zu:
1) Unserem Staatsministerium des königlichen Hauses und des Aeußern bezüglich aller Inländer ohne Ausnahme,
2) Unseren Kreisregierungen, Kammern des Innern, bezüglich der in dem betreffenden Regierungsbezirke Wohnenden,
3) Unseren mit den Paßgeschäften gesetzlich beauftragten Distriktspolizeibehörden bezüglich derjenigen Personen, welche in dem betreffenden Polizeibezirke ihren Wohnsitz haben.

Die von den Districtspolizeibehörden ausgestellten Paßkarten erfordern nicht die bestätigende Gegenzeichnung der vorgesetzten Regierung, Kammer des Innern. Die von den zuständigen Behörden ausgestellten Paßkarten werden in den Gebietstheilen der dem Paßkartenvereine angehörigen Staaten gleichmäßig respectirt.

Art. VII.

Eine Visirung der Paßkarten findet nicht statt.

Art. VIII.

Die vereinbarten Paßkarten enthalten auf der ersten Seite:
1) das Wappenschild des betreffenden Staates,
2) das Kalenderjahr, auf welches die Paßkarte lautet,
3) den Namen, Stand und Wohnort des Inhabers,
4) die Fertigung der ausstellenden Behörde mit Namenzunterschrift und beigedrucktem Siegel,
5) die Nummer des gesondert zu führenden Paßkarten-Journales ; auf der zweiten Seite;
6) das in seinen 4 Rubriken sorgfältig auszufüllende Signalement des Inhabers,
7) dessen eigenhändige Namenzunterschrift; auf dem Rande endlich:
8) die Hinweisung auf die in dem betreffenden Staate gegen Fälschung oder Mißbrauch der Pässe und Paßkarten zu verhängenden Strafbestimmungen.

Art. IX.

Jeder Mißbrauch der Paßkarten, wohin insbesondere außer der Fälschung derselben die Führung einer auf eine dritte Person lautenden Karte, die wissentliche Ueberlassung der letzteren Seitens des Inhabers an einen Andern zum Gebrauche als polizeiliches Legitimationsmittel oder die fälschliche Bezeichnung von Personen als Familienglieder oder Dienstboten (Art. III) zu rechnen ist, unterliegt, insoferne nicht nach Beschaffenheit des Falles strafrechtliche Beahndung einzutreten hat, einer Polizei-Arreststrafe bis zu 14 Tagen oder einer polizeilichen Geldbuße bis zu 50 fl.

Art. X.

Jeder Angehörige eines der contrahirenden Staaten, welcher außerhalb desselben reiset, ohne einen Paß (Wanderbuch) oder eine Paßkarte zu führen, hat zu gewärtigen, daß gegen ihn nach den wegen der nicht legitimirten2) Fremden bestehenden Vorschriften verfahren, insbesondere daß er von der Weiterreise bis zu geführter Legitimation ausgeschlossen wird.

Art. XI.

Mit Inbegriff des gesetzlichen Stempels wird die Taxe für jede auszustellende Paßkarte auf 24 kr. festgesetzt.

Art. XI.

Gegenwärtige Verordnung, welche Wir als einen ergänzenden Besstandtheil Unserer allgemeinen Verordnung vom 17. Januar 1837, das Paßwesen betreffend (Regierungsblatt v. J. 1837 S. 65 ff.) angesehen wissen wollen, tritt acht Tage nach deren Veröffentlichung in Unserem Regierungs-Blatte in Wirksamkeit.

Unsere Staatsministerien des k. Hauses und des Aeußern, dann des Innern sind mit dem Vollzuge beauftragt.

1) Dieser Uebereinkunft ist auch Oesterreich beigetreten.

2) Modificirt durch das Paßgesetz.

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