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Reichsverfassungsurkunde

vom 16. April 1871 und die wichtigsten Administrativgesetze des deutschen Reichs mit einer systematischen Darstellung der Grundzüge des deutschen Verfassungsrechts.
Herausgegeben und erläutert von Emil Riedel im Verlag C.H. Beck, Nördlingen 1871.

Dritte Abtheilung. Anhang B zum II. Abschnitt. Bayrische Verordnung vom 9. Dezember 1865, das Paßwesen betr.
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Anhang zum zweiten Abschnitt

B.

Bayrische Verordnung vom 9. Dezember 1865, das Paßwesen betr.

(Regierungsblatt S. 1409.)

Mit Bezugnahme auf die unterm 7. Febr. l. Js. hinsichtlich der Paß und Fremdenpolizei zwischen mehreren deutschen Bundesstaaten abgeschlossene Uebereinkunft (Reg.Bl. v. J. 1865 S. 1393 und folgende) finden Wir Uns bewogen, über das Paßwesen zu verordnen, was folgt:

§ 3.1)

Reisepapiere werden weder bei dem Eintritte in das Königreich, noch beim Austritte aus demselben, noch während des Aufenthaltes und der Reisen im Inlande vidirt, vorbehaltlich jedoch der Bestimmung des § 4. Dieselben bedürfen auch nicht das Visum einer bayrischen Gesandtschaft oder eines sonstigen bayrischen diplomatischen Agenten im Auslande.2)

§ 4.3)

Die besonderen Vorschriften bezüglich der Legitimirung und Meldung der ein Gewerbe oder eine Erwerbsart im Umherziehen betreibenden Personen bleiben unverändert aufrecht.

§6.4)

Das Institut der Paßkarten bleibt unverändert aufrecht und richtet sich die Ausstellung dieser Karten nach den einschlägigen besonderen Bestimmungen.

§ 7.

An Staats- und öffentliche Diener dürfen Reisepapiere nur ertheilt werden, wenn die zu deren Reisen erforderliche dienstliche Bewilligung beigebracht ist.

Die Ausstellung von Reiseurkunden an Militärpersonen bemißt sich nach den hiewegen bestehenden besonderen Vorschriften.

§ 8.5)

Ausländern, welche kein Reisepapier besitzen, jedoch auf sonstige Weise sich genügend zu legitimiren vermögen, kann auf Verlangen ein Paß zu Reisen im Inlande oder zur Rückreise in das Ausland bis auf die Dauer von 4 Wochen ertheilt werden, soferne hiegegen sich kein Bedenken geltend gemacht.

§9.

Die Reisepässe sind nach gleichmäßigen, für dieselben vorgeschriebenen Formularien auszustellen.

§ 10.

Der ausgestellte Reisepaß soll enthalten:

Vor- und Zunamen,
Stand oder Beschäftigung,
Wohnort,
Reiseziel,
Unterschrift,
Personalbeschreibung des Reisenden,
Giltigkeitsdauer.

§ 11.

Der Reissepaß darf in der Regel nur auf eine Person ausgestellt werden.

Bezüglich der Begleitung des Reisenden, welche dessen Ehegattin, Kinder, Pflegbefohlene oder minderjährige Anverwandte, Gefolge und Dienerschaft begreift, genügt jedoch deren namentliche Erwähnung unter Angabe ihres bezüglichen Verhältnisses zu dem Reisenden in dem Passe des Letzteren.

Ebenso ist bei der Schiffmannschaft auf Schiffen und Flößen genügend, wenn das namentliche, die Personalbeschreibung enthaltende Verzeichniß dieser Mannschaft dem Passe des Schiff- oder Floßführers beigefügt oder in die von der zuständigen Distrikitspolizeibehörde beglaubigte Equipagenrolle eingetragen wird.

§ 12.6)

Die Dauer der Reisepässe ist nach den maßgebenden Verhältnissen jedes einzelnen Falles festzusetzen, soll jedoch ohne besondere Gründe nicht über drei Jahre erstreckt werden.

§ 13.7)

Die Ausstellung der Pässe, welche nur für das Inland gelten sollen, steht
1) den Kreisregierungen, Kammern des Innern,
2) der k. Polizeidirektion München,
3) dem k. Stadtkommissär in Nürnberg,
4) den einer Kreisregierung, Kammer des Innern unmittelbar untergeordneten Magistraten mit Ausnahme jener von München und Nürnberg
5) den k. Bezirksämtern und exponirten Bezirksamtsassessoren, bezüglich der Inländer zu, welche in dem betreffenden Regierungs- resp. Polizeibezirke heimatsberechtigt sind oder zeitlich sich aufhalten.

§ 14.

Zur Ausstellung von Pässen, welche nicht bloß für das Inland gelten, sind ermächtigt:
1) das Staatsministerium des k. Hauses und des Aeußern an alle Inländer ohne Ausnahme,
2) die Kreisregierungen, Kammern des Innern, an die in dem betreffenden Regierungsbezirke Wohnenden,
3) die im § 13 genannten Distriktspolizeibehörden an die Personen, welche in dem betreffenden Polizeibezirke ihren Wohnsitz haben.

Diese Ermächtigung erstreckt sich auch auf die Ertheilung von Pässen an Ausländer.

§ 15.

Die an auswärtigen Höfen beglaubigten königl. Gesandtschaften sind berechtigt, den im Auslande befindlichen bayrischen Staatsangehörigen Pässe zur Rückreise nach Bayern oder zur Weiterreise in das Ausland zu ertheilen, sowie die denselben im Königreiche ausgestellten Pässe zu verlängern oder auf andere, in letzteren nicht angeführte Staaten auszudehnen.

Von jeder solchen Verlängerung oder Ausdehnung, sowie von jeder Ertheilung eines Passes zur Weiterreise in das Ausland ist der betreffenden Kreisregierung, Kammer des Innern, Nachricht zu geben.

Ob und in wie weit den in fremden Staaten aufgestellten königlichen Konsuln und Handelsagenten eine Zuständigkeit in Paßsachen einzuräumen sei, hat das Staatsministerium des königlichen Hauses und des Aeußern zu bestimmen.

§16.

Bezüglich der Taxen und Gebühren in Paßsachen wird bestimmt:

Für einen Paß ist zu erheben:
a) eine Taxe von 24 kr., *) wenn derselbe von einer Distriktspolizeibehörde oder einer Kreisregierung, Kammer des Innern,
b) eine Taxe von 1 fl. 12 kr., wenn derselbe von dem Staatsministerium des k. Hauses und des Aeußern ausgestellt wird.
3) Für die von den k. Gesandtschaften zur Weiterreise in's Ausland ausgestellten Pässse ist gleichfalls eine Taxe von 24 kr., für die von denselben lediglich zur Rückreise nach Bayern ertheilten Pässe aber keine Taxe zu erheben.
4) Bezüglich der von Consuln oder Handelsagenten ausgestellten Pässe hat es bei den im Regierungsblatte vom Jahre 1833 Seite 899 bekannt gegebenen Anordnungen zu verbleiben.

§ 17.

Jeder Reisende - Inländer sowohl als Ausländer - ist verpflichtet, auf Anfordern der Orts- oder Distriktspolizeibehörden oder der mit Handhabung der Sicherheitspolizei beauftragten öffentlichen Diener über seine Person genügend sich auszuweisen, soferne aber in Gemäßheit gegenwärtiger Verordnung ein bestimmter Ausweis vorgeschrieben ist, in dieser bestimmten Weise sich zu legitimiren.

Personen, welche dieser Verpflichtung nicht genügen, haben, abgesehen von der allenfalls begründeten Strafeinschreitung, nach Umständen die Hemmung ihrer Weiterreise, die Vorführung an die nächste Distriktspolizeibehörde, die Zurückweisung oder andere gesetzlich zulässige Maßregeln zu gewärtigen.

§ 18.

Die sämmtlichen betreffenden Polizeibeamten und Sicherheitsorgane sind geeignet anzuweisen, bei Ausübung ihrer Berufspflichten zwar das öffentliche Interesse vollständig zu wahren, zugleich aber jeder unnöthigen Belästigung der Reisenden sich zu enthalten und gegen diese stets ein anständiges, tactvolles Benehmen zu beobachten.

§ 19.

Gegenwärtige Verordnung, durch welche alle entgegenstehenden Bestimmungen aufgehoben werden, tritt mit dem 1. Januar 1866 in dem ganzen Umfange des Königreiches in Wirksamkeit.

1) § 1 u. 2 der VO. sind durch das Paßgesetz; surrogirt.

2) Der letzte Satz des § 3 ist weggelassen.

3) Die beiden leiten Absätze des § 4 und der § 5 sind weggefallen.

4) Der erste Absaz des § 6 ist weggefallen.

5) Die in § 8 Abs. II der VO. vorgeschriebene Benachrichtigung der Heimatbehörden der Angehörigen der Paßkonventionsstaaten dürfte durch das Paßgesetz gegenstandslos geworden sein.

6) Der erste Absatz des § 12 ist weggefallen.

7) Der § 13 wurde mit Rücksicht auf die Neugestaltung der Verhältnisse in einer etwas veränderten Form wiedergegeben.

8)

9)

10)

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