Anhang zum zweiten Abschnitt
A.
Entschließung der bayrischen Staats-Ministerien des Königl. Hauses und des Aeußern, des Innern, der Finanzen, dann des Handels und der öffentlichen Arbeiten, vom 9. Mai 1871 Nr. 4536, den Vollzug des Gesetzes vom 12. Okt. 1867 über das Paßwesen betr.
Da am 13. Mai l. J. das norddeutsche Gesetz; vom 12. Okt. 1867 „das Paßwesen betreffend“ für das Königreich Bayern in Wirksamkeit tritt, so ergeht zu dessen Vollzuge nachstehende Entschließung:
I.
Das erwähnte Gesetzz geht bezüglich der Paßpflichtigkeit von den nemlichen Grundsätzen aus, welche in der bayrischen Verordnung vom 9. Dec. 1865 „das Paßwessen betreffend“ Anerkennung gefunden haben. Demnach hängt es von dem Ermessen der Angehörigen des deutschen Reiches ab, ob sie sich mit Reisepapieren zum Zwecke ihrer Legitimation in eintretenden besonderen Fällen versehen wollen oder nicht.
II.
Beantragen bayrische Staatsangehörige die Ausstellung von Reisepapieren, so darf die Ertheilung derselben nur dann verweigert werden, wenn der Reise gesetzliche Hindernisse z. B. Militärpflicht, Polizeiaufsicht, gerichtliche Untersuchung u. s. w. entgegenstehen. Hinsichtlich der Ausstellung von Reisepapieren an Staats und öffentliche Diener verbleibt es bei den bestehenden Vorschriften.
III.
Zu den Reisepapieren sind von nun an — abgesehen von den hier nicht in Betracht kommenden Zwangspässen und beschränkten Reiserouten - nur a. die Paßkarten, hinsichtlich deren es bei den Bestimmungen der Allerhöchsten Verordnung vom 14. Jan. 1851 „die Einführung der Paßkarten betreffend“ und den Vollzugs-Vorschriften hierzu vom 18. Jan. 1851 (Administrativ-Verordnungen-Sammlung Bd. XXIX Seite 178 u. ff.) bewendet, und b. die eigentlichen Reisepässe zu rechnen.
Die Verpflichtung der Handwerksgesellen und Gewerbsgehilfen zur Führung von Arbeitsbüchern hört auf, jedoch kann die Ausstellung solcher Bücher, insoferne dieselben zur Aufnahme von Zeugnissen über geleistete Arbeit dienen, auf Verlangen der betreffenden Personen auch fernerhin stattfinden.
IV.
Die bisherige Unterscheidung zwischen Legitimationen zu Reisen im Inlande und zwischen Pässen zu Reisen im Auslande fällt weg, so daß für alle Arten solcher Pässe, welche von den Unterbehörden und den Kreis-Regierungen, K. d. J. ausgestellt werden, nur ein und dasselbe Formular anzuwenden ist.
V.
Dieses Formular ist dasselbe, welches auf Grund Ziff. VIII Nr. 2 der Vollzugsvorschriften vom 23. Dez. 1865 Nr. 3205 zu der allerh. Verordnung vom 9. Dez. 1865" über das Paßwesen durch die Ministerial-Entschließungen vom 26. Dez. 1865 Nr. 4496 „die neuen Paßformularien betr." eingeführt wurde, jedoch mit der Abänderung, daß statt des auf dem Umschlage eingepreßten und auf der ersten Seite oben abgedruckten, sowie auch im Unterdrucke überall aufgenommenen Wortes „Paßverein“ die Worte „deutsches Reich" aufgenommen werden.
Für das laufende Jahr 1871 ist der vorhandene Vorrath von Paßformularien noch zu benützen; jedoch ist dafür zu sorgen, daß auf dem Umschlage und auf der ersten Seite oben nunmehr bei jeder Ausstellung eines neuen Passes die vorbezeichneten Abänderungen von der nemlichen Hand, welche das Formular ausfüllt, vorgenommen werden.
Von einer Verlängerung der Reisepässe nach dem gegenwärtig eingeführten Formulare über den 31. Dez. l. Js. hinaus ist abzusehen.
VI.
In Bezug auf die Ausfüllung der Paßformularien und die Vollständigkeit des Eintrages in denselben, die Zahl der in einem Reisepasse vorzutragenden Personen, die Dauer der Reisepässe, die Controle der Fremden und die Maßregeln gegen ausweislose Reisende bleibt es bei den einschlägigen Bestimmungen der allerhöchsten Verordnung vom 9. Dez. 1865 „das Paßwesen betreffend,“ ebenso ist den Paßbehörden gestattet, von der ihnen durch den § 8 der erwähnten allerhöchsten Verordnung vom 9. Dezember 1865 eingeräumten Befugniß zur Ausstellung von Pässen an Ausländer auch künftig einen wohlbemesssenen Gebrauch zu machen.
VII.
Zur Ertheilung von Reissepässen sind — abgesehen von den Ministerial und Gesandtschaftspässen, hinsichtlich deren es vorläufig bei den geltenden Anordnungen verbleibt - nach Maßgabe der allgemeinen Zuständigkeits-Verhältnisse befugt:
1) die k. Kreisregierungen, K. d. Innern,
2) die k. Polizeidirektion München,
3) der k. Stadtkommissssär in Nürnberg,
4) die den k. Kreisregierungen, K. d. Innern, unmittelbar untergeordneten Stadtmagistrate mit Ausnahme jener von München und Nürnberg,
5) die k. Bezirksämter und exponirten Bezirksamts-Assessoren.
VIII.
Die Paß-Formularien sind wie bisher ausschließlich von den Expeditionsämtern der k. Kreisregierungen, Kammern des Innern, zu beziehen. Die Gebühr für einen Reisepaß, welcher von einer Kreisregierung, K. d. Innern, oder einer derselben untergeordneten Paßpolizeibehörde ausgestellt wird, beträgt einschlüssig der Anschaffungskosten zu 3 kr. und mit Berücksichtigung des schuldigen Stempelbetrages zu 3 kr. in der Rgel 24 kr. und bei unbemittelten Personen 6 kr.
Die unmittelbaren Stadtmagistrate in den Regierungsbezirken diesseits des Rheins haben für alle bezogenen Reisepaßformulare ohne Unterschied den Betrag von 6 kr. per Stück bar zu erlegen. Die Ablieferung dieser Beträge Seitens der Expeditionsämter an die Kreiskassen erfolgt nach Maßgabe der Ziff. III der Entschließung der k. Staatsministerien des Innern, der Finanzen, sowie des Handels und der öffentlichen Arbeiten vom 27. Dez. 1869 Nr. 14,318 „die Taxen von Paßkarten, Reisepässen und Gewerbs-Legitimationen für Handelsreisende betr.,“ sowie die Verrechnungs-Einweisung bei den Kreiskassen nach Maßgabe der Entschließung gleichen Betreffs des königlichen Staatsministeriums der Finanzen vom 31. Dezember 1869 Nr. 16,218 geschieht.
Für unbemittelte bayrische Staatsangehörige, welche sich im Auslande aufhalten, darf die Ausstellung und Verlängerung von Pässen tax- und stempelfrei erfolgen.
IX.
Ueber die ausgestellten Reisepässe ist nur mehr ein Register nach dem vorgeschriebenen Formulare (s. Ziff. X der Ministerialentschließung vom 23. Dezember 1865) zu führen; die Einträge in der vorlegten Rubrik haben sich auf das Reisetziel zu beschränken.
X.
Von dem norddeutschen Gesetze vom 12. Okt. 1867, das Paßwesen betr., bleiben außer den bereits erwähnten Vorschriften unberührt:
1) die Bestimmungen über die Gewerbslegitimationen der Handelsreisenden,
2) die Bekanntmachung vom 19. April 1868, das Gewerbe derjenigen Personen, welche sich mit Vertilgung von Ungeziefer befassen, betr.,
3) die Allerhöchste Verordnung vom 28. April 1868, den Gewerbsbetrieb im Umherziehen und den Haussirhandel betr.,
4) die Allerhöchste Verordnung vom 25. Juni 1868, den Handel mit Landesprodukten im Umherziehen betr., .
5) die Allerhöchste Verordnung vom 25. Juni 1863, den Marktverkehr betr.,
6) die Allerhöchste Verordnung vom 3. Juli 1868, die Schau- und Vorstellungen betr.,
7) die Vorschriften über Anordnung von Sperrmaßregeln bei Epidemieen und Epizootieen.